

Über das
Schöne im
Hässlichen
und die
Provokation
im
öffentlichen
Raum
Kein anderes Medium kann derart rasch,
intensiv und gesellschaftsmächtig provozieren
wie Out of Home. Das haben dutzende Kam-
pagnen in der Vergangenheit bewiesen, die
zum „Talk of Town“ wurden und zum Teil auch
massive Proteste der Öffentlichkeit hervorrie-
fen – durch den Bruch von Tabus, die Präsen-
tation „schockierender“ Bilder. Folgt Provoka-
tion einer eigenen Ästhetik? Und welche Rolle
spielt dabei der Mut zum Hässlichen? OOH!
hat dazu Michael Weinzettl befragt, seit 30 Jah-
ren Chefredakteur und Herausgeber von Lür-
zer’s Archive. Das zweimonatlich erscheinende
Fachmagazin für die Werbe- und Kreativwirt-
schaft stellt Plakate, TV-Commercials, digitale
und interaktive Werbung aus aller Welt vor.
OOH!: Wie hässlich darf Provokation sein?
WEINZETTL:
Kommt darauf an, wen oder
wozu man provozieren will. In der Werbung
ist Provokation – außer imweitesten Sinn zum
Konsumieren – ja schon länger nicht mehr so
angesagt. In den 90er Jahren gab es den Trend
zu Schockwerbung und da wurde durchaus
auch mit dem „Hässlichen“ provoziert, was
aber auch die Parameter veränderte – ich
denke da etwa an den Heroin-Chic in der Wer-
bung von Calvin Klein, die junge Kate Moss
war ja quasi die Ikone dessen, oder die Benet-
ton-Werbung von Oliviero Toscani, etwa mit
demNeugeborenen oder dem an Aids Sterben-
den. Irgendwann wird das „Hässliche“ nicht
mehr als solches empfunden, sondern als die
Norm, und Abstumpfung beim Rezipienten
lässt Provokation zur Tapete geraten und damit
sinnlos werden.
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OOH!–Aspekte