

Claudia Schroeter und Christian Brändle sind seit vielen Jahren
Jurymitglieder des Swiss Poster Award. Was war 2016 besonders?
Ein Gespräch über künstlerische Ansprüche in der Aussenwerbung,
die Risikobereitschaft der Auftraggeber und das Niveau der Plakate
in der Schweiz.
OOH!: Sie sind erfahrene Juroren des
Swiss Poster Award. Was hat Sie bei
den Einsendungen für 2016 ammeis-
ten überrascht?
SCHROETER:
Es sind zahlreiche
digitale Arbeiten eingegangen. Ein
Zeichen dafür, dass Bewegtbild an
Wichtigkeit gewinnt.
BRÄNDLE:
Aber: Quantität ist nicht
gleichzusetzen mit Qualität, das
musste die Jury erneut feststellen.
OOH!: Die Jurymitglieder zeigten
sich in ihren Laudationes erfreut über
die hohe Qualität der Arbeiten in
Public Service oder Culture. Was hat
Sie angesprochen?
BRÄNDLE:
Es war tatsächlich so, dass in diesen beiden Kategorien
besonders inspirierte Arbeiten eingegeben wurden. Die Auftraggeber
scheinen hier etwas risikofreudiger zu sein. Angesprochen fühlt sich
die Jury immer dann, wenn eine neue Idee und eine überraschende
Gestaltung klug kombiniert werden.
SCHROETER:
In diesen Kategorien ist der Weg zur Entschlüsselung
der Botschaft häufig gewundener. Aus diesem Grund sind diese bei-
den Kategorien besonders interessant, weil sie komplexere Umset-
zungen verlangen.
OOH!: Warum hat die Jury entschieden, die Kategorien Commercial
National und Commercial Local and Regional zu vereinen?
SCHROETER:
Nach der Vorselektion blieben zu wenig Arbeiten im
Rennen. Die Jury konnte keine befriedigende Shortlist erstellen.
BRÄNDLE:
Die Ausbeute war bei Commercial schlicht zu schwach.
Schade. Denn gerade das kommerzielle Plakat erreicht hohe Reich-
weiten und hat damit den größten Impact.
OOH!: Wie kommt es zu der schwachen Leistung dieser impactstar-
ken Kategorie?
BRÄNDLE:
Ein auffälliges Plakat muss mit einer Prise „krimineller
Energie“ gewürzt sein. Plakate oder Screens werden häufig mit Testi-
monials, Claims und Kleingedrucktem zugemüllt. Dadurch verflüch-
tigt sich die plakative Wirkung.
SCHROETER:
Es wurden Konzepte in den Wettbewerb geschickt,
die immer wieder eingesetzt werden. Auch wenn es Kontinuität ver-
heißt – die Jury erwartet mehr Neuheiten.
OOH!: War die Jury sich bei allen Nomi-
nierten und den Gewinnern schnell einig?
BRÄNDLE:
Die Diskussionsfront entwi-
ckelte sich zwischen Agenturleuten, die auf
einer klugen Idee beharren, und der Kul-
turfraktion, die Gestaltung über alles
stellt – auch wenn dabei die Botschaft lei-
det. Eine Spitzenarbeit kann beides: Sie
besticht mit einer fulminanten Storyline
und ist hervorragend gestaltet.
OOH!: Große Zürcher Kreativagenturen
wie Jung von Matt / Limmat, Ruf Lanz
oder Y&R Group Switzerland gewinnen
auffällig häufig „Gold“. Haben Sie dafür
eine Erklärung?
BRÄNDLE:
Nun, diese Agenturen liefern
konstant hochklassige Arbeit mit seltenen Ausrutschern. Und sie ste-
hen für derzeit erfolgreiche und breit geschätzte Qualitäten.
OOH!: Wie würden Sie das Verhältnis von klassischen Kampagnen
und freien künstlerischen Arbeiten bewerten?
BRÄNDLE:
Freie künstlerische Arbeiten sind auf den großen
Bezahlflächen kaum zu sehen. Da fehlt den Künstlern das Geld. Umge-
kehrt gibt es klassische Kampagnen mit künstlerischem Anspruch,
die wir nicht mehr wegdenken möchten.
OOH!: Gehen Sie bei der Jurierung eher intuitiv oder analytisch vor?
SCHROETER:
Es braucht beides. Aber aus medialer Sicht darf man
nicht vergessen, dass ein Plakat in den meisten Fällen flüchtig von
einemmobilen und aktiven Publikumwahrgenommen wird. Ein gutes
Plakat ist ein Plakat, dessen Inhalt in möglichst kurzer Zeit sensibili-
siert, Emotionen erzeugt oder sogar wachrüttelt.
BRÄNDLE:
Die ersten 90 Prozent fliegen außerordentlich zügig raus,
dank der Vorselektion und zwei Durchgängen zu Beginn. Danach
beginnt der spannendere Teil und es wird debattiert.
OOH!: Herr Brändle, Sie gelten als kompromissloser Kritiker. Ver-
trägt sich das mit der Rolle eines Jurypräsidenten?
BRÄNDLE:
Das geht prima. Ich mag Widerspruch und Debatten.
Und in aller Regel entscheidet ohnehin die Jury mehr oder minder
einstimmig.
OOH!: Was wünschen Sie sich für den Jahrgang 2017?
SCHROETER:
Innovation, Dynamik – und dass mehr Westschweizer
Agenturen ihre Arbeiten einreichen würden. Das wäre auch sehr toll.
BRÄNDLE:
Dass uns die Kreativen und die Auftraggeber mit über-
raschenden, klugen und ästhetisch überzeugenden Arbeiten – vor
allem auch in den kommerziellen Kategorien – vom Hocker hauen.
Nadja Mühlemann
Claudia Schroeter ist Mit
inhaberin der unabhängigen
Mediaagentur mediatonic.
Sie juriert seit 2013 den
Swiss Poster Award.
Christian Brändle ist
Direktor des Museums
für Gestaltung Zürich
und seit 2006 Jurypräsi-
dent des Swiss Poster
Award.
„Hochklassige Schweizer Aussenwerbung
mit seltenen Ausrutschern“
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OOH!–Kreation & Kreativität Schweiz