Wie gehen Sie bei der Identifizierung möglicher Stromversorger im Krisenfall vor, worauf kommt es besonders an? SCHULZE: Wir haben analysiert, wie man bei einemAusfall der städtischen Stromversorgung bestimmte Notbetriebe aufrechterhalten oder aktivieren kann. Und was in diesem Zusammenhang ganz entscheidend ist, sind Kommunikationswege. Diese sind für die Bewältigung jeder Krise essenziell. Sie sind zum einen wichtig, weil sie den Katastrophenschutz unterstützen, der die Bevölkerung informieren muss, zum anderen für den Kontakt der Menschen untereinander. Damit einher geht immer auch eine deeskalierende Wirkung. Und Kommunikation kann prosoziales Verhalten, wie etwa Nachbarschaftshilfen oder dergleichen unterstützen. Solche Aspekte haben wir in „emergenCITY“ auch untersucht, dass die Menschen in der Regel zusammenstehen, was im Übrigen auch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen. Und dafür braucht es Kommunikation. SCHULZE: Ja, die Menschen wollen informiert sein, wollen abgeholt werden. Wir sprechen immer von einem langanhaltenden überregionalen Stromausfall. Das ist eine wichtige Unterscheidung, weil da nicht unmittelbar Hilfe von außen kommt. Fernsehen, Radio, Internet und auch das Handy funktionieren nicht. Das war der Anreiz darüber nachzudenken, wie man irgendeine Form von Kommunikation herstellen kann, auch wenn diese sehr rudimentär ist. Ich hatte davon gehört, dass digitale OOH-Medien schon für die Krisenkommunikation eingesetzt werden. Wir haben dann Gespräche mit Unternehmen aus der Aussenwerbung geführt und über Möglichkeiten diskutiert, diese digitalen Tafeln auch im Krisenfall zu nutzen, wenn der Strom weg ist. Das ist aber eine große Herausforderung, da deren Energieverbrauch relativ hoch ist. Außerdem fehlt der Raum für eine autarke Stromversorgung, das heißt Photovoltaik und die notwendigen Batterien. Deshalb sind diese Elemente aufgrund der technischen Spezifikationen weniger geeignet. Um die Kommunikation in einer hoch technisierten Stadtgesellschaft sicherzustellen, könnte nun eines der ältesten konventionellen Medien eine wichtige Rolle spielen – die Litfaßsäule. Wie kam es zu dieser Einschätzung? SCHULZE: Die Litfaßsäule hat mir auch vor „emergenCITY“ schon etwas gesagt. Ich bin Architekt und Städtebauer, und wir lieben diese Säulen. Das ist ein Stadtmöbel mit einer sehr langen Historie und einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Litfaßsäule stellt keiner in Frage, die gehört zum Bild unserer Städte. Nun verhält es sich auch so, dass die Litfaßsäule oder generell die OOH-Medien sehr günstig stehen. Sie befinden sich an hoch frequentierten Orten, weil sie das Ziel haben, möglichst viele Menschen zu erreichen, wenn sie werben. Und das ist natürlich auch für einen Stromausfall interessant, denn wenn die Stromversorgung ausfällt, muss ich als Einwohner der Stadt die Information aktiv aufsuchen. Die „Litfaßsäule 4.0“: zentrale öffentliche Anlaufstelle mit Informationen im Krisenfall (Visualisierung: emergenCITY). Kommunikation kann prosoziales Verhalten unterstützen. 17 OOH!–Fokus
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