STORCH: Wir müssen das Handwerk auch beherrschen. ImDigitalbereich stehen wir in der Verantwortung. Das kann jeder von uns ändern. Das müssen die Agenturen, das müssen die Kreativagentur und das müssen auch wir Werbetreibende machen. Jeder kann im Kleinen arbeiten. Die Rezession wird unsere finanziellen Möglichkeiten limitieren; dann lasst uns auch diese Chance der Krise nutzen, manches in Frage zu stellen. Wenn wir schon sparen müssen, dann sparen an Dingen, die wir falsch machen. Und dann müssen wir Diskussionen führen, wie wir es besser machen können. Bei allen politischen Diskussionen, die wichtig sind, dürfen wir uns nicht gegenseitig bashen, auch bei bestehenden Interessenskollisionen. Aber wir müssen einfach in das Doing kommen, also von großen politischen Themen runterkommen und sagen „ich will, ich kann besser werden“, jeder an seiner Stelle. KREBS: Da liegt mir auch etwas auf dem Herzen. Wir bewegen uns hier in der Runde so sehr auf der politischen Ebene, dass wir kaum noch zum Konsumenten kommen. Wir werden ständig mit der Frage konfrontiert, ob man werben darf. Wir sagen aus psychologischer Sicht: Bitte, ja bitte! Gerade jetzt, nach Jahren der Pandemie, imAngesicht von Krieg und Rezession. Denn wenn sich Marken jetzt zurückziehen und nicht werben, dann fehlt den Menschen die letzte Botschaft zu sagen „Hey, Gott sei Dank, mein Kaffee morgens, der ist noch für mich da.“ „Ja, ich darf meine Schokolade noch essen, ich darf meinen Seelenstreichler noch haben“. Das wäre fatal. Weil wir, wenn wir helfen wollen, seelisch stabil sein müssen. Und Werbung hat eben auch diesen Auftrag, uns wieder Stabilität und Sicherheit zu geben – wir schaffen das, es wird weitergehen. Wir brauchen all diese Symbole. Wir müssen normal in den Tag kommen. Das ist psychologisch wertvoll. Am Ende geht es um den Konsumenten, der die Werbung und diese Marken einfach braucht. und den Menschen schaden, dann muss ich die Produkte verbieten. Alles andere ist Symbolpolitik. STORCH: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich habe große Bedenken, dass man die Werbung verbieten könnte, weil man die Produkte nicht verbieten darf. Da müssen wir wirklich sehr aufpassen. Es muss ein ehernes Grundsatz-Prinzip bestehen: Alle Produkte, die man frei, ohne Einschränkungen verkaufen kann, müssen auch beworben werden dürfen. Es mag tausend Gründe geben, um etwas verbieten zu wollen. Wenn wir aber in der Werbung alles klären wollen, was wir in der Gesellschaft versuchen zu verändern von Gender, von Nachhaltigkeit etc. etc. das ist einfach nicht richtig. Werbung ist wie der Spiegel einer Gesellschaft. Sie verändert sich, die Sprache ändert sich, die Einstellung ändert sich, und dann ist die Werbung immer ganz dicht an den Menschen. Wenn wir uns aber zu einem Büttel machen von politischen Gesinnungsmenschen, dann erweisen wir unserer pluralistischen Meinungsvielfalt einen absoluten Bärendienst. Ich fände ja immer ein Argument, warum etwas nicht gut ist, übertrieben, zu teuer, aufwändig und unökologisch. Wenn ich so weit denke, dann bin ich am Ende von allen Diskussionsthemen, und das darf die Werbebranche nie zulassen. Was kann der ZAW, was kann die Branche tun, um das negative Image der Werbung peu à peu zu drehen? NAUEN: Wir müssen, wie gesagt, erstens über denWert der Werbung sprechen und hier insbesondere über ihre handfesten, auch gesellschaftlichen Vorteile. Zweitens müssen wir die Mythen über die angeblich negativen Wirkungen überzeugend hinterfragen und drittens tragfähige Lösungen aufzeigen, etwa, wenn es um die Nachhaltigkeit der Branche geht. Da müssen wir wirklich aufsatteln. Und wir müssen Formate finden, um besser ins Gespräch zu kommen. Ich habe den Eindruck, dass die Branche an diesem Punkt nicht so gut aufgestellt ist wie andere Industrien – obwohl es unser Metier sein sollte. Auch hier müssen wir nachlegen. SCHULZ: Wir müssen insgesamt über uns und über den Wert der Werbung besser, effizienter kommunizieren. Gemeinsam alle zusammen, mit allen Verbänden, mit allen Bereichen der werbungtreibenden Wirtschaft. Wir müssen deutlich machen, wie wichtig der Beitrag der Werbung zur Refinanzierung der Medienvielfalt ist, als Leistung für eine demokratische, pluralistische Kultur und als Treiber einer marktwirtschaftlichen Konjunktur, gerade auch in Krisenzeiten. Wir müssen diese Dinge besser herausstellen, besser bei den Stakeholdern kommunizieren, gerade auch in der Politik, zusammen mit den Partnern der Medien. Da sehe ich unsere Aufgabe. Der vorliegende Text ist eine inhaltliche Verdichtung des 80minütigen Gesprächs. Hier können Sie das ausführliche Round Table-Gespräch als Podcast verfolgen. 21 OOH!–Fokus
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