Kampagnen und Gruppen, die das kritisch sehen. Dabei handelt es sich aber meistens um eine elitäre Oberschicht, die sich Dinge leisten kann, die sich Menschen in der Grundgesamtheit nicht leisten können. Im Sinne der großen Allgemeinheit haben wir immer den Deal gehabt, dass wir zu einer pluralistischen Meinungsvielfalt kommen, die eben zum Teil mit Werbung finanziert ist. Im öffentlichen Raum stellen werbefinanzierte Bushaltestellen eine Sicherheit auch in der Stadt dar. Die Stadtmöblierung hat eine ungeheure Verbesserung der innerstädtischen Strukturen geschaffen. Das bedeutet enorm viel, gerade für Menschen mit geringem Einkommen. Als Bürger lehne ich absolut ab, dass wir uns von ganz kleinen Minderheiten Dinge vorschreiben lassen. Als Werbetreibender glaube ich, dass wir dafür kämpfen müssen, dass wir den ungehinderten Zugang zu Werbeflächen haben. Wir müssen verantwortlich gestalten, kein Mensch möchte überall an jedem Platz den Times Square haben. In Deutschland haben wir das aber nicht. Dafür haben wir schon eine in meinen Augen viel zu restriktive Stadtpolitik, die vieles nicht ermöglicht. Nach dem Tabakwerbeverbot sind weitere Werbeverbote im Gespräch, für Zucker, für Alkohol etc pp.; brauchen wir eine Kampagne der gesamten Branche für den Wert der Werbung? POHL: Wir als Kommunikationsleute müssen uns mit dieser Diskussion auseinandersetzen. Ich glaube, dass wir sicherlich etwas für unsere Branche tun müssen. Dass wir unsere Branche besser positionieren müssen in dem, was sie tut und was sie kann und was sie leistet innerhalb der Gesellschaft. Wir zeichnen ja mit dem Effie jedes Jahr denWert von Kommunikation aus, in unterschiedlichen Formen. Und man merkt, dass das Thema wichtiger denn je ist, was die Einreichungszahlen belegen. Interessant ist, dass der Effekt und der Wert von Werbung selbst in vielen Unternehmen gar nicht mal so klar sind, auch die Nachweisbarkeit gar nicht mal so klar ist. Und wenn innerhalb der Unternehmen Geld ausgegeben wird für etwas, von dem ich mir gar nicht sicher bin, was es bringt oder es nicht messe, dann müssen wir uns nicht In einer Publikation des ZAW vor einigen Jahren ging es in der Tat um das Thema Wert der Werbung und auch die Frage von Werbung in Krisenzeiten. Dringt man mit solchen Themen derzeit durch, politisch und gesellschaftspolitisch? NAUEN: Es ist viel erreicht, wenn wir unter den erschwerten Bedingungen, die wir mittlerweile haben, vermitteln können, dass Eingriffe nicht folgenlos sind, sondern ganz handfeste negative Auswirkungen haben. Wenn wir uns das Freiheitsniveau in Deutschland anschauen und mit anderen Ländern – auch in Europa – vergleichen, stehen wir aber immer noch ziemlich gut da. Auch aufgrund unseres Engagements. Wir müssen uns aber fragen, ob das künftig noch reicht – angesichts der Verschiebungen, die wir – auch in der Politik – bei der Wahrnehmung der Branche erleben, und zwar losgelöst von der jeweiligen Koalition einer Bundesregierung, ihrer Farbzusammensetzung. Betrachten wir zum Bespiel den beruflichen Hintergrund derjenigen, die über Gesetze entscheiden, die werberegulatorisch bedeutsam sind. Wir haben im Parlament sehr viele Berufsgruppen vertreten, Beamte, Lehrer oder anderweitig im Staatsdienst befindliche Personen, die sehr wenig Berührungspunkte und Erfahrungen mit unserer Industrie mitbringen, dafür aber starke Meinungen haben oder hiermit konfrontiert sind. Bereits die daraus resultierenden Herausforderungen sind größer als früher. Gleichzeitig sind die Mittel und Möglichkeiten Meinungen zu erzeugen – Stichwort: Campaigning – angewachsen. So erscheinen immer öfter kleine Gruppen wie eine politische Mehrheit, weil sie sehr gut organisiert und kampagnenfähig sind. Und in Bezug auf unsere Branche mit Werbewirkungsmodellen und Aussagen arbeiten, die wenig mit der Realität zu tun haben, aber selbst medial ziemlich unkritisch rezipiert werden. Damit ist klar: Wir müssen frühzeitiger auftreten, grundlegender argumentieren und, ja, auch deutlicher den Wert der Werbung vertreten. Die Fähigkeit zur Selbstkritik ist hierfür allerdings auch eine Voraussetzung. In Hamburg und Berlin erleben wir gerade, wie eine Werbeform – Aussenwerbung – von einer kleinen Gruppe diskreditiert wird und verboten werden soll. Dabei geht es auch um grundsätzliche Konsumkritik. Wie steht die OWM zu einem solchen Vorhaben, ein Medium einfach abzuschalten? STORCH: Wir alle verbinden mit einer Stadt bestimmte Eigenschaften, Größe, Offenheit, bunte Farben, Begeisterungsfähigkeit. Dass wir eine Stadt beleuchten und erhellen können, dass wir für Informationsvielfalt und Farbenfreude sorgen, ist ein großes Gut und absolut erhaltenswert. Ich verstehe durchaus die einzelnen Aspekte von politischen Kleine Gruppen erscheinen immer öfter wie eine politische Mehrheit. BERND NAUEN 19 OOH!–Fokus
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