POHL: Ich weiß gar nicht, ob es Liebe sein muss. Werbung hat ja den grundsätzlichen Sinn und Zweck, Marken oder Unternehmen zu helfen, Botschaften zum Konsumenten zu bringen. Es ist ein konkreter Nutzen hinter Werbung. Das darf man in dieser Diskussion nicht vergessen. Und das ist es, was auch viele Werbetreibende treibt – wie bringe ich die Information am besten von A nach B. Wir haben bei Ogilvy immer das Bild von einem Hund und einer Katze bemüht. Der Konsument ist kein Hund, den ich abrichten kann, sondern eigentlich eine Katze. Der Katze muss ich etwas anbieten, ich muss spielen, ich muss Aufmerksamkeit erregen, und die dreht sich halt auch um und geht weg, wenn sie das Interesse verliert. Es geht also nicht um Liebe. Es geht um Informationen und um die Vermittlung von Informationen. Werbung, die nur schön ist, braucht auch kein Mensch. Hohe Emotionen, totale Begeisterung, Zero-Effekt für die Marke – das ist auch nicht das, was wir wollen. SCHULZ: Natürlich geht es in der Werbung um den Erfolg einer Marke, eines Unternehmens. Es geht um den Return on Investment, es geht um Erfolgs-, um Absatz-orientierte KPIs. Das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil. Dazu würde ich jetzt gerne die Diskussion um einen Aspekt erweitern, wenn nämlich Werbung erfolgreich ist. Und sie ist in den meisten Fällen für viele Marken sehr erfolgreich. Indem sie den Erfolg und langfristig auch den Markenwert einer Marke steigert und damit einen Beitrag sowohl zumAbsatz der Marke als auch zu ihrem Erfolg leistet, leistet Werbung auch gesamtwirtschaftlich einen Beitrag: zum Bruttoinlandsprodukt, für das Wachstum einer Gesellschaft. Die Werbung ist ein wesentlicher Faktor, um Wirtschaft anzutreiben, gerade auch in Krisenzeiten, wie wir sie im Moment erleben. Und damit einen positiven Impuls auf die Gesamtgesellschaft zu setzen. Ein zweiter Aspekt dazu: Werbung ist immer auch ein Ausdruck und ein Spiegel von Kultur und Kunst, von Ästhetik einer Gesellschaft. Werbung trägt erheblich zur Refinanzierung der Medienvielfalt bei. Die publizistische Vielfalt, die wir in unserem Lande haben, ist ein großer Wert und erheblicher Beitrag für eine demokratische, pluralistische Kultur. Dieser Wert und dieser Leistungsbeitrag der Werbung zur Refinanzierung der Medienvielfalt sollten nie unterschätzt werden. Er ist von unserer Branche auch wieder stärker zu betonen und in den Vordergrund zu stellen. Körper aus. Die Bio-Signale sprechen von Lust und Gier, diesem inneren Kind in uns. Unsere äußere Schale sagt die ganze Zeit „Ne, also Werbung, da muss ich aufpassen, das beeinflusst mich, das muss ich regulieren.“ Wenn ich aber reingehe in die Emotionen, können wir uns alle nicht davon befreien, dass unser Ich innen drin, das kleine, sagt „Haben wollen“. Weil einfach ein Bedürfnis ausgelöst wird. Das sehen wir durch die Bank weg. Es hängt wirklich enorm von der Kreation ab. Muss man denn wirklich Werbung lieben oder reicht es, wenn der Konsument dem bestenfalls indifferent gegenübersteht und sagt, „naja, ich nehme es halt zur Kenntnis“? STORCH: Indifferent sollte es nicht sein, dann hat es ja keine Wirkung. Dieser „ungebetene Besucher“, wenn der so charmant gemacht ist, dass man sich auf ihn einlässt, dann ist das ja Werbung im ursprünglichen Wortsinn. Man wirbt um jemanden. Und dieses um jemanden werben müssen, sollen, können, dürfen – das müssen wir Werbetreibenden wieder stärker in Mittelpunkt stellen. Dass man zum Beispiel die Plakate so macht, dass es diesen Appetizer-Effekt hat. Das geht auch in digitalen Werbeformaten. Ich glaube, wir haben zu viel, zu schnell auf Reichweite geschaut. Wir achten auf solche vielen technischen KPIs, dass uns das Werbung machen in der Werbung manchmal abhanden kommt. Wir müssen uns wieder mehr um die Qualität, um die Präzision im täglichen Doing kümmern. Dass es wieder funktioniert, dass man durchdringen mag. Diese Bild von jemandem, der klopft, unangemeldet, ungefragt an deine Tür, und du musst schon in diesem Moment entscheiden, ob du es toll oder schlecht oder störend empfindest – das ist ein ganz schönes Bild. Damit kann ich gut leben. Werbung ist immer auch ein Ausdruck und ein Spiegel von Kultur und Kunst. KLAUS-PETER SCHULZ 18 OOH!–Fokus
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