ganzheitlich in die Planungen miteinbezogen und nicht wie so oft als separate Gestaltungs- und Handlungsfelder gesehen werden. Die Anforderungen an eine zeitgemäße Stadt sind vielfältig, es geht unter anderem um Funktionalität, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, um Lebensqualität und Kommerz. Was führt diese komplexen Aspekte zusammen? NAGEL: Im Ergebnis münden alle diese Anforderungen in unsere lebensweltliche Wirklichkeit und unseren gebauten Alltag. Dafür müssen wir die Dinge vom guten Ergebnis aus zusammendenken und integrierte und kooperative Prozesse initiieren. Hierzu hilft es, Projektstrukturen in der Planung neu zu organisieren, weg vom Linien- und Ressortdenken und hin zu themenbezogenen Projektgruppen, die beispielweise integriert und gemeinsam an der Weiterentwicklung von öffentlichen Räumen arbeiten. Baukultur verbindet alle Aktivitäten zur Gestaltung öffentlicher Räume. Ist Ästhetik ein relevantes Kriterium für die Wertschätzung oder Attraktivität einer Stadt – muss eine Stadt „schön“ sein? NAGEL: Ja, Städtebau und Architektur müssen uns emotional berühren und dazu ausgewogen und harmonisch sein und dem menschlichen Maßstab gerecht werden. Einige Architekten und Ingenieure sprechen deshalb auch nur von Stadtbaukunst und nicht von Stadtplanung oder Städtebau. Reizüberflutungen und Stress wirken sich neurobiologisch negativ auf uns aus. Räume prägen die Menschen und werden von diesen geprägt. Werden sie schlecht gestaltet, nicht gepflegt oder der Öffentlichkeit durch Privatisierung entzogen, macht sich das im sozialen Leben einer Stadt oder Gemeinde bemerkbar. Hier kann Baukultur wirksam werden, weil sie die Bedeutungs- und Handlungsebene ist, die alle Aktivitäten zur Gestaltung öffentlicher Räume verbindet. Gepflegte, aufgeräumte und gut gestaltete öffentliche Räume brauchen die Verantwortlichkeit der öffentlichen Hand genauso wie die der Stadtgesellschaft. Doch nur wenn die Räume auch zur Nutzung einladen, werden die Menschen sie als Gemeingut anerkennen und Verantwortung für ihren Zustand übernehmen. Öffentlich zugängliche Orte müssen Stadtbewohnern das Gefühl geben, dass es sich um Gemeinschaftsräume handelt, für die auch sie zuständig sind. Nur dann engagieren sie sich. So kann man Vermüllung und Vandalismus vorbeugen. In einem Artikel der Zeitschrift „stern“ war zu lesen, dass sich die Menschen in einer Altstadt vor allem deshalb so wohl fühlen, weil sie für Fußgänger gemacht wurde. Braucht es einen „Rückbau“ der Infrastruktur? Urbane Nachbarschaft in Krefeld – Entwicklung einer ehemaligen Samtweberei © UNS gGmbH, Fotograf: Marcel Rotzinger 18 OOH!–Fokus
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