OOH-Magazin Ausgabe 2 - 2020
OOH!: Was macht für den Kreativen ein gutes Plakat aus? Und inwieweit deckt sich diese Sichtweise mit der Auffassung des Medien- Analytikers? BRÜNIG: Ein gutes Plakat lebt weder von einem Bild noch von einem Text. Es lebt von einer guten Geschichte. Storytelling ist und bleibt für mich bei einem guten Plakat die wichtigste Komponente. Allerdings hängt die Wirkung dann aber doch auch wieder sehr von der gelungenen Umsetzung in Bild und Text sowie einer perfekten Gesamtgestaltung ab. Hier gilt es schnell, einfach und qualitativ überzeugend zu sein. Sehr wirkungsvoll sind Plakate, die eine gelernte Story neu interpre- tieren, sie für den Betrachter ungewohnt und vor allem überraschend aufladen und dabei einfach weiterzuerzählen sind. Meine kurze Formel auf OOH bezogen: One great story, One message, Highest quality. HOTHUM: Gut ist ein Motiv für mich dann, wenn es bei der systemisch getriebenen Dialog- Struktur-Messung die für OOH-Medien wich- tige Orientierungsmarke „85%plus“ übertrifft und damit den Nachweis erbringt, dass es über die im öffentlichen Raum nötigen Blickanker- qualitäten verfügt. Gut ist ein werblich orien- tiertes Sujet für mich außerdem dann, wenn es sich am zur Verfügung stehenden Format orientiert, wenn seine Ziele klar erkennbar sind und es die dafür geeigneten Wirk-Ele- mente einsetzt. Ein gut gestaltetes Plakat gene- riert Aufmerksamkeit, die sich als Erinnerung verankert und in anhaltendes Interesse mündet. Ein gutes Plakat beschäftigt seine Betrachter über den Zeitraum des eigentlichen Blickkon- takts hinaus. Dazu sind nicht immer Story telling-Qualitäten nötig (wer würde dies zum Beispiel ernsthaft von einem Hardselling- Motiv verlangen). Was aber stets erforderlich ist: die Konzentration auf das Wesentliche, eine klare Hierarchie der eingesetzten Wirk-Ele- mente und eine aktive Führungsstruktur. OOH!: Totgesagte sollen ja bekanntlich umso länger leben. Trifft das auch auf das analoge/statische Plakat zu oder ist im Bewegtbild-Zeitalter früher oder später mit dessen Ableben zu rechnen? ROB BRÜNIG: Ich bin ja sozusagen mit dem analogen Plakat groß geworden und lebe nun schon seit über 60 Jahren mit ihm. Es ist mir in dieser Zeit sehr ans Herz gewachsen und es war und ist immer noch eine der größten Her- ausforderungen für mich, ein gutes analoges Plakat zu entwickeln. Denn nirgendwo sonst muss man sich bei der Entwicklung einer Idee so sehr auf das absolut Wesentliche konzent- rieren wie bei der Arbeit an einem aussage- kräftigen, gut gestalteten Plakat. Sollte es also wirklich eines Tages dem digitalen Zeitalter zum Opfer fallen (was ich nicht glaube und schon gar nicht hoffe), so bleibt es auf jeden Fall DAS leuchtende Beispiel für die hohe Kunst der Reduktion. WOLFGANG HOTHUM: Ohne das klassi- sche Plakat kann ich mir die Werbewelt Out of Home noch auf lange Zeit nicht vorstellen. Grund 1: Längst nicht jede Plakatfläche steht kurz- oder mittelfristig zur digitalen Umrüs- tung an. Grund 2: Nur im statischen Motiv – das natürlich auch auf einer digitalen Abspiel- fläche präsentiert werden kann – zeigt sich doch, ob Kreative ihr Handwerk wirklich ver- stehen. Denn kein anderes werbliches Medium steht stärker in der Pflicht, Info-Essenzen zu bilden wie das klassische Plakat. Würde dieses qualitative Nadelöhr wegfallen, wäre dies aus meiner Sicht ein herber Verlust. 14 OOH!–Fokus
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