OOH-Magazin Ausgabe 2 - 2019

Als mir ein geschätzter Kollege aus der Media-Branche neulich zum zehnten Mal den Gassen- hauer vom Mikrotargeting bei digitaler Aus- senwerbung erzählte (Daten! Dynamic Content! Gesichtserkennung!), musste ich lachen. Denn die personalisierte Werbefläche im öffentlichen Raum sorgt nach der Sales-Präsentation der Mediaagenturen zwar jedes Mal für euphori- sche Ideenrunden amNachmittag, macht dann aber rein logisch Kopfzerbrechen. Spätestens, wenn man vom Prototypen (der Hunde-Urin- Analysator) für den Kreativwettbewerb zum Ernstfall kommt: Der Kunde bucht Kampagne. Stellen Sie sich eine 50-jährige fußballbegeis- terte Managerin und einen 12-jährigen Aus- tauschschüler vor, die zufällig nebeneinander an der DOOH-Galerie im Berliner Haupt- bahnhof entlanglaufen. Wie sollte die Werbe- fläche der Zukunft mit aller Sensorik auf beide gleichzeitig reagieren? Mit zwei unterschied- lichen Botschaften? Splitscreen? Rasend schnel- len Motivwechseln? Oder mit Gags mit origi- nellen Datenerkenntnissen, also a) die Uhrzeit, b) das Wetter oder c) die vielen Hipster, die gerade da rumlaufen. Gähn. Individuelle Ansprache und öffentliche Kom- munikationsfläche sind ja naturgemäß in Kon- kurrenz. Da wird auch auf absehbare Zeit die clevere monolithische Botschaft mit Breiten- wirkung im Vorteil sein (siehe Katjes). Die Augmented Reality-Netzhaut mit personali- sierter Dateneinblendung auf dem Plakat las- sen wir zunächst noch einmal beiseite. Ja, Sie lachen, aber auch solche Ideen werden immer wieder ernsthaft vorgeführt, wenn wieder ein- mal Innovationstag ist. „Kaum eine digitale Servicemarke kann es sich leisten, auf die Wucht von OOH zu verzichten.“ Ist also alles Humbug? Nein, absolut nicht. Denn natürlich sind die technischen Möglich- keiten neuer OOH-Flächen vielversprechend. Ein Mega-OLED mit Bewegtbild an der Stra- ßenecke überstrahlt locker jedes Hamburger Nieselgrau und setzt sich durch. Da werden Marken-Assets in einer Weise erlebbar, die locker mit dem Smartphone-Display mithalten kann. Überhaupt Branding: Kaum eine neue digitale Servicemarke kann es sich leisten, auf die Wucht von OOH zu verzichten. Den Mar- ken-Purpose und eine visuelle Identität im Großformat in urbanen Umfeldern zu platzie- ren ist weitaus effektiver als Bannerwerbung. OOH hat zum Beispiel im öffentlichen Nah- verkehr fantastische Conversions zu Mobile – übrigens ganz ohne QR-Code. Und das Targeting? Die Daten? Natürlich, dank programmatischer Buchungen und schneller Motivwechsel sind jetzt OOH-Flights mit dynamischen Botschaften je nach Einsatzort und -zielgruppe leichter umsetzbar. Vermut- lich werden wir auch bald über KI-gestützte Motiventwicklung reden. Ob aber die zu erwar- tenden Motive – Knallfarben mit 35 Headline-Varianten neben dem Produkt – Marken bei der Etablierung ihrer individuellen Brand Assets unterstützen, bleibt abzuwarten. Individualisierung Out of Home – ein kreatives Logikrätsel Carsten Fillinger (47) war Executive Creative Director bei Scholz & Friend Berlin und Geschäftsführer von VCCP Deutschland. Seit 2018 betreut er mit „Branded Truth“ Unternehmen als Coach und Consultant bei der kreativen Implementierung der Marke. 15 OOH!–Aspekte

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyMzYy