OOH-Magazin Ausgabe 4 - 2018

Im Rahmen von Big Data-Anwendungen wer- den persönliche Daten der Kunden für Wer- bungtreibende immer uninteressanter. Mit Hilfe von neuronalen Netzwerken und Sensor- daten aus dem „Internet of Things“ avanciert das Werbemedium selbst zum Angelpunkt der Werbewirtschaft. Statt wie bislang eine statische Werbebotschaft an eine passende Zielgruppe auszuspielen, ist durch „Programmatic Creation“ das Prinzip umgekehrt: JedemKunden wird eine möglichst gut passende Werbung für die jeweilige Nut- zungssituation präsentiert. Die Werbung passt sich dem Kunden an und nicht umgekehrt. Einer Person, die nachmittags im Regen spa- ziert, wird ein Museum in der Nähe als Ban- nerwerbung empfohlen. Bei schönem Wetter wäre das stattdessen ein Biergarten. „Atomic Design“ als Gestaltungsprinzip von Programmatic Creation Eine solch flexible und adaptive Werbeform funktioniert nur durch einen hohen Grad an Automatisierung, granularen Kontextdaten und künstlicher Intelligenz. Programmatic Creation beschreibt die dynamisch-progressive Kreation eines Werbemediums in Abhängig- keit vom situativen Kontext des Nutzers, an den die Werbung geht. Als Blaupause für diese automatisierte Form der Wirtschaftskommu- nikation dient das „Atomic Design“. Diese junge Disziplin der Gestaltung setzt sich mit der Konfiguration der einzelnen Elemente eines Mediums auseinander: Eine Internetseite wird so etwa in bis zu fünf hierarchisch ange- ordnete Kategorien unterteilt. Die unterste Ebene bilden „Atome“, Grundelemente wie Schriften, Farben oder Metatags. Dann kom- men „Moleküle“, die Gruppen von Atomen umfassen und z. B. kleinere Bedienelemente bezeichnen, wie Suchfelder oder Buttons. Dar- aus entstehen „Organismen“, die dafür sorgen, dass viele Moleküle organisiert werden und z. B. eine Bedienleiste bilden. Die vierte Ebene beschreibt „Vorlagen“ (Templates) und die fünfte Ebene fertige „Produkte“ – zusammen- gesetzt aus den vorhergehenden Ebenen. Deep Learning und neuronale Netzwerke als Treiber der adaptiven Werbekommuni- kation Programmatic Creation bedient sich der Prin- zipien des Atomic Designs, indem die Werbe- botschaft in funktionale Ebenen eingeteilt wird. Durch den Einsatz von Big Data und Künstlicher Intelligenz werden die benötigten Ebenen in Echtzeit konfiguriert und an den Kontext des Nutzers angepasst. Ein Programmatic Creation-Algorithmus „lernt“, wie er Produktwerbung imKontext zur geografischen Position des Nutzers, zumWet- ter, zur Tageszeit oder zu Grundattributen wie Geschlecht verarbeiten muss. Mit genügend Trainingsdaten wird es möglich, den Prozess der Programmatic Creation nicht nur auf die Ebene einer Zielgruppe, sondern für einzelne Nutzer in ihrer Umgebung zu präzisieren. Es gibt bereits Anbieter, die „Natural Language Processing“ ermöglichen. Nutzern können so adaptive Werbe-Videos (z. B. In-Stream) oder automatisch generierte Werbeaudiospots (z. B. in Audio-Streams) in Echtzeit präsentiert wer- den. Automatisierte Werbung (Programmatic Advertising) und Echtzeit-Werbeauktionen (Real-Time-Bidding) halten immer mehr Ein- zug. Nach Angaben des BVDWhatte program- matisch gebuchte Werbung 2017 bereits einen Anteil von rund 45 Prozent an digitaler Dis- play-Werbung. Die größten globalen Werbe- netzwerke von Google, YouTube und Facebook nutzen diese Art der Werbeauktionen stan- dardmäßig. Fazit: Im deutschen (Online-)Werbemarkt findet ein Umbruch statt: Statt passende Ziel- gruppen für eine vordefinierte Werbekampa- gne zu suchen, werden Kampagnen automa- tisch passend für die Situation der Nutzer gemacht. Paradigmenwechsel im Marketing 20 OOH!–Aspekte Tim Prien ist Consultant bei der Goldmedia GmbH Strategy Consulting.

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