OOH-Magazin Ausgabe 3 - 2018

Für Organisations-Strategen stehen Silos seit langem auf der Abschussliste. Auch wenn das in vielen Unternehmen erst einmal zu noch mehr Meetings und noch mehr E-Mails in cc führt – der Abriss hat eine Menge für sich. Matrix-Organisationen sehen auf dem Papier sauber und systematisch aus. Unter Effizienz- druck wird ihre Unzulänglichkeit umso deut- licher. Dasselbe gilt für viel zu viele Zielgruppen-Systeme im Marketing. Für die Art, wie sie eingesetzt werden und für die Entscheidungen, zu denen sie führen. Die Erkenntnis hat schon den Old School-Denkschubladen der Sozio- demographie den Hals gebrochen. Die Hoff- nung damals: Man muss nur feiner und fein-fühliger differenzieren. Nach Bedürfnissen zum Beispiel, psycho- statt sozio-demogra- phisch. So langsam wird es immer schwerer zu igno- rieren, dass das Problem nicht im Auflösungs- grad, sondern im grundlegenden Plan steckt, Menschen in fixe Gruppen zu sperren. Verhaltensmuster lassen sich sinnvoll klassifizieren – nicht Menschen! Der jüngste von vielen Beweisen liegt im Schei- tern der X, Y, Z Generationen in der Praxis. Deloitte fühlte sich Anfang des Jahres bemü- ßigt, eine neue Generation der „MilleXZials“ zu erfinden, die XYZ kombiniert. Im Ernst? Ging es nicht gerade um die angeblich monu- mentalen Unterschiede zwischen diesen Gene- rationen? Wollen wir die MilleXZials dann nicht einfach ‚Erwachsene‘ nennen?! Vielleicht ist die Gelegenheit günstig, die Ziel- gruppen-Idee als Ganzes zu entschlacken. Zum Beispiel so: Bestimmte Menschen zeigen in bestimmten Situationen Verhaltensweisen (bei­ spielsweise Reaktionen auf Werbung), die so gut miteinander vergleichbar sind, dass sie sich klassifizieren lassen. Achtung: Verhaltensmus- ter lassen sich klassifizieren, nicht Menschen! Und zwar, weil Menschen und ihre Einstellun- gen nur einen Teil ihres Verhaltens erklären. Einstellungen sind vielleicht so etwas wie die Hardware zumVerständnis von Menschen. Die Software, ohne die das Gesamtbild einfach kei- nen Sinn macht, vergessen wir ständig. Ein- stellungen treffen auf Alltagsrealitäten, unser Leben findet nicht im Labor statt. Wir alle haben viel mehr und viel spannendere Themen als Kaufen und Konsumieren imKopf. Umso wichtiger werden ‚Kontexte‘, die mensch- liches Verhalten zum großen Teil intuitiv und automatisiert steuern. Psychologische, soziale, physische, technologische und zeitliche Rah- menbedingungen, die sich heute immer schnel- ler ändern. Auf welchen Snack habe ich mor- gens im Zug, nachmittags im Auto, tagsüber zu Fuß, abends zu Hause Lust? Es gibt gute Gründe, sich mehr mit Ziel-Kontexten zu beschäftigen. Es gibt mehr als genug gute Gründe, sich als Marke weniger mit Ziel-Gruppen zu beschäf- tigen als mit Ziel-Kontexten. Die Frage ist: Wo kann meine Marke Wann und Wie mit mög- lichst vielen Menschen interagieren? Die Frage ‚Mit welchen Menschen?‘ ist dabei unglaublich nachrangig. Selbst ikonische Marken leben viel mehr vom ‚Random Light User‘ als von über- zeugten Marken-Fans, falls es so etwas über- haupt gibt. Spitze Kategorien, etwa „Vegan“ oder „Glutenfrei“ in Food, hätten keine Chance, wenn sie von einer konsistent handelnden Kernzielgruppe leben müssten. So lange Menschen Verhalten zeigen, auf das unsere Marken antworten können: Sprechen wir mit ihnen, egal, welcher Zielgruppe sie angeblich angehören. In und Out of Home, online und offline. Aber in den richtigen Kon- texten! Schluss mit Zielgruppen-Silos 21 OOH!–Aspekte Florian Klaus, Director BrandPsychology bei der K&A Brand Research AG, Röthenbach bei Nürnberg

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