OOH-Magazin Ausgabe 3 - 2018

Wir sehen gerne fern, greifen alle paar Minuten zum Smartphone und haben unsere Freizeit total durchgetaktet. Zeitaufwändigere Hobbies wie Musizieren oder Malen haben darin eher keinen Platz. Angesagt sind Aktivitäten, die punktuell Reize setzen, aber nicht viel Zeit kos- ten. Je mehr wir davon amAbend oder amWochenende unterbringen können, desto besser. Deutschland, so beschreibt es der soeben vor- gelegte „Freizeit-Monitor“, ist ein Land der Ruhelosen geworden. Die Befragung (2.000 Bundesbürger) wird seit vielen Jahren regelmäßig erhoben und gibt so den Blick auf gesellschaftliche Veränderungen frei. Eine grundlegende Erkenntnis ist: Wir hatten schon mal deutlich mehr Muße. Das verschärfte Freizeit-Hopping ist das Ergebnis einer Entwicklung, die Soziologen seit langem beobachten: der Individualisierung. Vor wenigen Jahren haben sich die Menschen noch durch die Zuge- hörigkeit zu bestimmten Gruppen – Fußballverein, Kirchengemeinde oder Partei – definiert. Heute ist das kaum mehr vorstellbar. Die Definition des eigenen Lebensstils vollzieht sich über eine höchst individuelle Dosierung von Interessen, Hobbies, Vorlieben und Konsumgewohnheiten. Hyperindividualisierte Zeiten mit unterschiedlichsten Befindlichkeiten Für die Freizeitindustrie wirkt diese Entwicklung wie ein Aphrodi- siakum; jedes neue Angebot hat die Chance ein Bestseller zu werden. Marketer dagegen haben schon mal einfachere Zeiten erlebt. Früher da gab es eine Handvoll fix definierter Zielgruppen, die man über eine Anzeige in der Tageszeitung und einen TV-Spot mit Garantie errei- chen konnte. Diese Menschen wurden meist über soziodemographi- sche Daten wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Einkommen, Aus- bildung, Beruf definiert. Später kamen die Sinus-Milieus, es war der Versuch, Menschen nach Lebensauffassungen, Wertehaltungen und sozialer Zugehörigkeit in Gruppen Gleichgesinnter zusammenzu- fassen – beispielsweise in „Liberale Intellektuelle“, die „Bürgerliche Mitte“ oder die Hedonisten. Aber heute? Da greifen solche Ansätze nur noch bedingt. „Aktuell findet ein ideologischer Wandel statt – weg von der klassi- schen Zielgruppendenke hin zu qualitativ definierten Lebensstilen“, sagt Christoph Höfer, Senior Media Consultant bei der Agentur media plan. „Es sind heute hyperindividualisierte Zeiten mit unterschied- lichsten Befindlichkeiten. Menschen haben heute keine einfachen Biografien mehr, vielmehr Multigrafien.“ Diese Hyperindividualisierung führt immer wieder zu neuen Ziel- gruppen, ohne Garantie auf längeren Bestand. Es sind Themen und Interessen, die Menschen zusammenführen und dann wieder trennen. „Trends aus aller Welt kommen in immer schnelleren Wellen, sind kinderleicht vom Konsumenten adaptierbar und in den meisten Fäl- len auch ganz leicht wieder abzustreifen“, sagt Eva Engelbrecht, Geschäftsführende Gesellschafterin der Werbeagentur Bloom. Manch- mal sind sie nur kurz sichtbar, manchmal vereinen sich auch Wider- sprüche zu überraschenden Harmonien. Ein Beispiel: „Urban Lifestyle und Kleingartenkolonie schließen sich heute nicht mehr aus, obwohl man die beidenThemen nicht nur soziodemographisch, sondern auch milieukategorisch in komplett anderen Sphären verorten würde“, so Engelbrecht. „Zielgruppen sind einfach sehr filigran geworden.“ Verständnis für die Wünsche, Motive und Werte einer Zielgruppe Für die Mediaplaner bedeutet dies: Pauschalmodelle haben ausge- dient, so viel ist klar. Andererseits aber müssen sie nach Gemeinsam- keiten suchen, die Menschen einen. Diese Gemeinsamkeiten können ein vorübergehendes Phänomen sein. Sie können aber auch aufgrund längerfristiger gesellschaftlicher Trends entstehen. Solo Going Professionals Alleinstehend und gut betucht. Weil sie in ihren Job stark eingebunden sind, kaufen sie vor allem amWochenende ein oder gleich online. Gutes Aussehen ist ihnen wichtig. 16 OOH!–Fokus

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