OOH-Magazin Ausgabe 2 - 2018

Die vollständigen Interviews mit Hartwig Keuntje, Matthias Storath, Mirko Kaminski, Thomas Koch, Bettina Olf und Ralf Heuel über Künstliche Intelligenz im Kreativprozess lesen Sie hier. Menschen bzw. dem Kreativen Vorbehaltene: die Schöpfungs- und Ideenfindungsprozesse zwischen Insight und Exekution. Hartwig Keuntje: „Für eine kreative Kommunikations-Agentur ist die Kreati- vität naturgemäß der innerste Kern ihrer Leistung. Zeitlich gesehen entfallen auf kreative Aufgaben vielleicht nur 30 bis 40 Prozent. Der Anteil an der Wertschöpfung für den Kunden ist aber viel höher. Eine einzige gute Idee kann für eineMarke den ganz großen Erfolg bedeuten.“ Der Mythos und das Unerforschte der Prozesse zwischen Insight und Exekution verschaffen den Kreativen einen Vorsprung und manifestieren ihre Relevanz im Kreativprozess. Ralf Heuel, Geschäftsführer Krea- tion / Partner von Grabarz & Partner: „Sir John Hegarty sagte mal in all seiner Weisheit: ,Du kommst nicht auf gute Ideen. Gute Ideen kommen auf Dich. Alles, was Du tun kannst, ist dafür zu sorgen, dass sie gern auf Dich kommen.‘ Insofern versucht man eher, Umstände oder eine Umgebung zu schaffen, in denen gute Ideen entstehen. Dafür hat jeder Kreative sein eigenes Ritual. Wie genau so eine Idee dann allerdings entsteht, ist für mich immer noch eine Black Box.“ Denn letztlich sind es die unerwarteten Kombinationsmöglichkeiten des eige- nen und des kollektiven Bewusst- seins vor dem individuellen Erfahrungs- undWissens- hintergrund, die die menschliche Kreati- vität auszeichnen. Hartwig Keuntje: „Wenn uns Maschi- nen nun diese Fähigkeit streitig machen, gerät das Konstrukt vom Menschen als Krone der Schöpfung endgültig ins Wanken. Keine gute Nachricht für unser Selbstwertgefühl. Allerdings: Artifizielle Kreativität ist für kulturelle und semantische Bezüge nach wie vor ziemlich blind. Die Maschine, die einen bedeutenden Roman schreibt oder auch nur eine witzige Headline für das nächste Astra- Bier-Plakat, ist noch nicht geboren. Vielleicht bleibt uns armen Menschlein ja wenigstens dieser letzte Vorsprung noch ein Weilchen erhalten.“ Laut KI-Forschung können die Agenturen auf diesen Vorsprung tat- sächlich noch einige Jahrzehnte vertrauen. Selbst der Direktor des Schweizerischen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz (IDSIA), Jürgen Schmidbauer, relativiert seine Algorithmen-Euphorie: „Heute haben die größten LSTM-Netze (Long Short-Term Memory Networks) etwa eine Milliarde Verbindungen. Extrapolieren wir den gegenwärtigen Trend, sollten wir in etwa 25 Jahren welche haben, die so viele Ver- bindungen wie das menschliche Gehirn besitzen, aber viel schneller sind. Meine Forschungsgruppe wird nicht mehr so viele Jahre brauchen, um ein System mit den geistigen Fähigkeiten eines Kapuzineräffchens zu erschaffen.“ Man darf demnach vorsichtig optimistisch bleiben. Denn eines ist aus heutiger Sicht festzuhalten: Ein „Fearless Girl“ wäre einemKapuzineräffchen ganz sicherlich nicht in den Sinn gekommen, und auch das Erschaffen dieser ausdrucksvollen Bronze-Statue mit Empathie auslösender Wirkung wird den künstlichen Kollegen der Zukunft nicht leichtfallen. Katja Garff Ralf Heuel: Entstehung einer Idee bleibt eine Black Box. Fearless Girl: Außergewöhnliche Kreation, vom Menschen erdacht. 19 OOH!–Fokus

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