OOH-Magazin Ausgabe 2 - 2018

Stefan Schütte, Geschäftsführer Serviceplan Werbeagenturenholding Wir Marketer sind wie die kleinen Kinder. Wir spielen zu viel. Wir lassen uns verführen von den vielen Angeboten in allen möglichen Ecken unserer Kinderzimmer. Statt den Sinn zu suchen, finden uns Apps, das Internet of Things, die unergründlichen Wei- ten des Webs und der Bullshit. Ach, eine App, toll, machen wir. Da kann man mit den Kun- den super in Kontakt bleiben. Ja, klar. Hey, die Waschmaschine kann man total digi- tal mit dem Smartphone bedienen. Wow. Ok, das Waschpulver muss man selbst einfüllen, die Wäsche auch. Ausräumen übrigens: Eben- falls leider analog. Blöd. Na, dann: Lass uns Content machen, das ist mega im Social Web. Lass uns Filme machen, das geht eeeeecht billig jetzt. Wir werfen dann noch fancy KPIs in die Dis- kussion, machen dabei vage Kreuzchen im Funnel und finden Experten, die mit uns gemeinsam noch viel tollere Spiele spielen. Es ist nicht verkehrt zu spielen, es ist sogar wichtig. Aber wenn Sie sich daran erinnern, als Sie das letzte Mal ein High Tech Device in Betrieb genommen haben und sich dachten: Ach was, Gebrauchsanleitungen sind über- schätzt. Und dass Sie sich dabei berauscht haben am Kreuz und Quer, am Rauf und Run- ter und an den unendlichen Möglichkeiten, die für sich genommen mittelmäßig sinnvoll waren. Mit Gebrauchsanleitung dagegen waren Sie schneller, selektiver und haben verstanden. Was sinnvoll ist und was nicht. Und darum geht es: Was ist hinter der Fassade der initialen Faszi- nation und dem Digital-Mobile-First-Spiel­ trieb? Wenn Sie nach der Gebrauchsanleitung suchen, hier ist sie. Es gibt einen Grund, warum Jeff Bezos der reichste Mensch der Welt ist. Wer sonst als Amazon kann so umfassend Nutzen stiften, ohne dass Sie das Sofa verlassen und ihre knappe Freizeit in schlecht geführten Waren- häusern verbringen müssen. Alles ergibt Sinn in der Amazon Windmühle. Alles, was Traffic bringt. Alles, was die Segel antreibt. Einfach alles. Ob man dort viele Management-Kapazitäten auf lustige Spiele- reien verwendet, die nicht Power auf die Wind- mühle schaufeln? Oder BMW. Ein weiteres schönes Beispiel für Beyond Bull­ shit. Während sich ganz Las Vegas zur CES mit automatisch twitternden Diabetikersocken oder der virtuellen Smart City in 2035 beschäf- tigt, driften BMW-Besucher über den Messe- parkplatz. Ganz real, laut und rough und quietschend und mit Gesichtsfarben der über- glücklichen Beifahrer von tiefrot bis hellgrün. Und plötzlich wissen wieder alle, worum es beimAutofahren auch einmal ging: Freude am Fahren. Oder Instagram. Wie wir plötzlich umfassend kuratiert an der Schönheit der Welt teilhaben können. Wie wir selbst Künstler sein können. Auf einer Platt- form für den täglichen Bilderrausch, der uns inspiriert und unser Leben mit anderen Augen sehen lässt. Eine glasklare Gebrauchsanleitung für Marketer. Suchen Sie das Echte hinter den Features. Das Leder der Rolf Benz-Couch schnuppern. Im Iglu schlafen. Karussell mit den Kindern fah- ren. Selber kochen. Geschichten am Lagerfeuer erzählen. Meetings statt Skype. Lieben statt Tindern. Einmal selbst auf der Rennstrecke statt mit der Playstation fahren. Dabei zuschauen, wie Hermes ihr altes Tuch im Geschäft umfärbt. Oder wie Adidas im Store Ihre Produkte mit Ihrem ganz eigenen Design strickt. Ihren Kollegen und Kunden zeigen, was heute in der echten Welt fasziniert. Hören Sie doch einmal wieder auf sich und Ihren Bauch. Spielen Sie mit den Möglichkeiten, aber lassen Sie sie nicht mit sich spielen. Brand Experience ist nicht digital zweidimen- sional, sondern etwas für alle fünf Sinne. Vor allem: Ergibt es Sinn, was wir hier tun? Oder lassen wir uns blenden, weil es so toll neu ist und so viel Spaß macht? Durchsetzen wird sich am Ende nämlich nur das, was wir brauchen. Und nicht das, was wir können. Beyond Bullshit 13 OOH!–Aspekte

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