OOH-Magazin Ausgabe 3 - 2017

Ich gestehe: Ich liebe Out of Home. Das Plakat. Weil ich Werbung mag und Werbung prägen- des Kommunikationsvehikel einer Konsum­ gesellschaft ist, die allumfassend agiert. Sogar politische Parteien, kommunale Dienstleister und öffentliche Institutionen bezeichnen die Bürger nicht mehr als Bürger oder Wahlbe- rechtigte, sondern als Kunden oder Konsu- menten. Wir alle können uns dem Konsum nicht entziehen und damit auch der Werbung nicht. Ich liebe den öffentlichen Raum und genieße dessen Rückeroberung durch den Bürger: die offenen Plätze, die großen Foren, die Flaneure und Menschenmassen, die sich durch Shop- ping-Malls, Museen oder Entertainment-Squares drängen. Sie alle werden – bewusst oder unbewusst, aktiv oder passiv wahrneh- mend – mit Werbung konfrontiert. Mit Wer- bung, die sich ihrer Größe nicht geniert: gleich mehrere Quadratmeter Botschaft. Out of Home ist Größe. Das ist ein fundamen- taler Unterschied zu allen anderen Medien. Es ist Provokation. Sonst geht Out of Home-Advertising unter. Es muss Witz und Ironie haben, sonst fällt es nicht auf. „It’s the stupid creativity“, würde Bill Clinton sagen. Es ist Reduktion, formulierte Michael Schirmer, der Pfanni’s Kartoffelknödel so inszenierte, wie Marcel Duchamp sein Parfum- flakon: als ready made. Es ist ein Flakon, und ich erhebe es zum Kunstwerk. Es ist ein Kar- toffelknödel, und es ist beste Werbung. Wahr- scheinlich ist es dieser Mix aus Frechheit, Grandezza und Unbekümmertheit, der Out of Home faszinierend und lebendig macht. Eine OOH-Kampagne erreicht in Österreich blitzartig vier bis fünf Millionen Menschen und wirkt ein bis zwei Wochen lang tagtäglich auf sie ein, platzt in ihren Alltag. Derartige Frequenzen sind mit klassischem Advertising oder selbst Programmatic Pop-Ups und Video- clips in Social Media und Streamingdiensten nicht zu erzielen, zumindest nicht im Verhält- nis zur Population. Die Notwendigkeit des Streuverlusts Out of Home ist gleichzeitig ein Medium, das sich selbst permanent gefährdet. Littering, die Verschmutzung und Vermüllung des öffent­ lichen Raums, ist nur ein Stichwort. Inmanchen Großstädten will man Aussenwerbeflächen gänzlich verbieten, wie in Sao Paolo beispiels- weise geschehen. Der Ruf nach „Entrümpe- lung“ ist stark und laut. Das Resultat in Sao Paulo: Wenige Tage nach dem Abbau der Flächen war die Stadt von bunten Murales – Graffitis, Wandmalereien, elektronischer Pro- jektion – übersät. Buntheit ist gelernter Bestandteil des öffentlichen Raums, aber sie verlangt nach Zähmung. Out of Home gefährdet sich auch, wenn es Abklatsch wird – die simple Wiederholung eines Ausschnitts aus einem Video- oder TV-Spot. Oder ein aufgeblasenes Inserat. Dann stürzt Out of Home ab. Es gibt aber ein Moment, das Out of Home auch in Zukunft prägen und vorantreiben wer- den: Die Notwendigkeit des Streuverlusts. Einer der Irrtümer der Programmatic-Wer- bung des ausschließenden Zielgruppenmarke- tings liegt in seiner Selbstreferenz: Man über- rascht keine neuen Konsumenten mehr. Das kann und wird Out of Home nicht passieren. Deshalb hat es Zukunft: das ewig letzte – und beinahe einzige – Massenmedium. Marlene Auer ist Chefredakteurin der Fachzeitschrift „Horizont“, dem führenden Medium für Marketing, Werbung und Kom- munikation in Österreich, des „Bestseller“ sowie des New Media- und e-Commerce-Magazins „Update“. Sie leitet federführend auch die Österreichischen Medientage. And still alive. It’s great. 14 OOH!–Aspekte

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