OOH-Magazin Ausgabe 4 - 2016
„Stellen Sie sich vor, es ist ein grauer, verreg- neter Tag. Die Passanten laufen hektisch an Ihnen vorbei auf demWeg zum nächsten Bus, die Köpfe gesenkt, die Blicke stoisch auf das Smartphone gerichtet, das sie zur nächsten Einkaufsmöglichkeit lotst. Die Autos fahren hupend und suchend auf dem Weg zu einer Parklücke durch den stockenden Verkehr. Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie wären ein Plakat, das auf sich aufmerksammachen muss. Wenn Sie richtig gut sind, haben Sie genau drei Sekunden Wirkungs- und Relevanzzeit, wenn nicht, gar keine. Seien Sie also richtig gut – oder lassen Sie es!“ Was sich hier als Teil eines Workshops ein wenig trivial und zunächst selbstverständlich liest, kann als Szenerie für angehende und auch bereits in Agenturen tätige Kreative nicht oft genug bebildert werden. Die Generation der Kreativen, die im Studium noch mit dem „Goldenen Schnitt“, Farbpsychologie, Typo- lehre und Liebe zur Reduktion an das Medium Plakat herangeführt wurde, ist heute häufig in führenden Positionen in Agenturen, beschäf- tigt sich mit digitaler Innovation, Employer Visions und der Challenge im „War of Data“; sie ist allerdings längst nicht mehr im operati- ven und gestalterischen Prozess. Die Kreativen haben Schwierigkeiten im Umgang mit dem plakativen Medium Das obliegt den nachwachsenden Kreativtalen- ten. Wir haben es hier mit einer Generation zu tun, deren Digitalkenntnisse pädagogisch ver- ankert und an Hochschulen exzellent weiter- entwickelt wurden. Young Talents, die in Bildern und Filmen ebenso akzentfrei sprechen kön- nen wie in Hashtags und Emoticons; natural born creatives, die mühelos einsilbig ganze Leitsätze zum Weltgeschehen auf den Punkt bringen, Apps entwickeln und Content verdau- bar machen – kurzum, eine Generation, die wir dringend benötigen. Die Situation der Gestal- tung findet in der Regel vor dem Bildschirm statt – brillante Farben, uneingeschränktes Sichtfeld, CI-konform und digital adaptierbar. „Idea first“ ist die Devise für alle Devices. Wunderbar – wer will schon mit Aussagen ohne Idee belästigt werden. Doch die Königsdisziplin des werblichen Aus- drucks droht schleichend und unauffällig unter den Tisch der Begehrlichkeit von Berufskrea- tiven zu rutschen – das klassische Plakat. Es ist am Ende des Tages nämlich eines – ein Stand- bild. Es steht einfach nur da, hat nur ein Gesicht und bekommt „never a second chance for a first impression“. Das Plakat ist ein ver- bindliches Statement des Absenders. Es setzt Havaianas: Cannes Outdoor Lions 2016, “Silver Lion Campaign” Dialog-Struktur-Messung: 93,92% Wertung IKAO: „gut“ Erläuterung IKAO: Ein CLP, das nicht nur stilistisch überzeugt, sondern schlicht und schnörkellos zeigt, wie gut sich ein Produkt in eine stimmige Gesamtszenerie einbinden lässt. Hier stehen alle Wirk-Elemente im richtigen Verhältnis. Das Auffassen und Deko dieren der motiv-prägenden Hyperzeichen ist in allen Distanzbereichen möglich. (Foto: Jost von Brandis) 20 OOH!–Fokus
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