OOH-Magazin Ausgabe 1 - 2018

Klaus Weise, Managing Partner Serviceplan Public Relations & Content Denken Sie bitte mal zurück: Früher gab man auf Partys damit an, volle fünf oder sechs Kalenderwochen im Jahr auf seiner Finca auf Mallorca verbracht zu haben. Im Jahr 2018 dagegen wird der beneidet, der von sich sagen kann, er habe vor drei Tagen sein Smartphone verlegt und dies bisher nicht einmal bemerkt. Ja, es ist schon klar: Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Wearables, die Vernetzung von Allem mit Allem, Big Data. Die heißen The- men des letzten Jahres werden auch das Jahr 2018 prägen. Das gilt für die Kommunikations- branche, die Börsen, aber auch die gesamte Wirtschaft. Allerdings wird der branchenübli- che „hottest shit“ meiner Meinung nach auch einen Gegentrend ganz massiv befeuern: Off- line ist im Jahr 2018 das neue Cool. Wer sich heute über das Thema Leadership positionieren möchte, sollte alle cc-Mails unge- lesen löschen. Der Höflichkeit halber sollte man dies vorher ankündigen. Und ja, die Löschung von Mails vor dem Lesen fällt deut- lich einfacher, wenn man gerade der Chef einer Organisation und nicht beispielsweise ein Buchhalter in der Probezeit ist. Adidas-Chef Kasper Rorsted hat übrigens in einem Interview kürzlich zum Besten gegeben, alle cc-Mails zu ignorieren. Trotzdem (oder gerade deshalb?) gilt er als hervorragender Kommunikator. Er ist allerdings auch bekannt dafür, sehr viel Zeit in persönliche Gespräche und Telefonate zu investieren. In manchen Großunternehmen verbreitet sich der Offline-Trend mit freundlicher Hilfe des Betriebsrates. Verschiedene Arbeitgeber haben auf dessen Initiative ihre Angestellten auf Ent- zug gesetzt und ihnen einen E-Mail freien Feier­ abend verordnet. Sie wollen so einem digital befeuerten Burnout zuvorkommen. Psycholo- gen und Ärzte applaudieren. Die aufgeschlossene Führungskraft von heute schwärmt nicht über die Motorisierung oder die Bereifung des neuen SUVs. Sie spricht lieber darüber, wie toll es sich anfühlt, vier Wochen lang keine Spuren in den sozialen Netzwerken zu hinterlassen. Selbstversuche von Journalis- ten, die wahlweise auf ihr Mobiltelefon, die sozialen Netzwerke, das gesamte Internet oder gleich alle elektronischen Helfer inklusiv Lap- top verzichten, haben Hochkonjunktur. Hotels, vorzugsweise in Gegenden ohne ver- nünftigen Internetanschluss, verdienen heute schon viel Geld mit Angeboten für "Digital Detox". Früher nannte man das Urlaub im Funkloch. Allerdings mussten die von der Außenwelt isolierten Urlauber früher auch nur die Hälfte des aktuellen Preises bezahlen. Dass es sogar eine ganze Menge Apps für "Digi- tal Detox" gibt, ist übrigens nur ein scheinbarer Widerspruch: Sie befeuern den Trend zum Offline, indem sie automatisch digitale Ruhe- zeiten verordnen oder persönliche Zeitkonten verwalten. Ganz besonders cool ist übrigens momentan der, der seine Termine ganz oldschool von Hand in eines der ikonischen schwarzen Notiz- bücher des italienischen Herstellers Moleskine einträgt, während die Kollegen sich weiter den Tag von Outlook-Terminen versauen lassen. Allerdings ist der Offline-Trend nicht ganz frei von Risiken und Nebenwirkungen. So manche Führungskraft soll direkt nach der Rückkehr aus dem selbstgewählten Funkloch von der Intensität des Nachrichtenflusses auf allen Kanälen so richtig unter Druck gewesen sein. Und war dem digital verursachten Burnout näher als jemals zuvor. Offline ist das neue Cool 14 OOH!–Aspekte

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