OOH-Magazin Ausgabe 4 - 2015

12 Niemand wartet gern, schon gar nicht an einer roten Ampel. Keine Zeit, keine Lust. Doch genau diese Ungeduld lässt Ampeln für Fuß- gänger zum gefährlichsten Ort in einer Stadt werden. Um die Men- schen dazu zu animieren, die Rotphasen zu respektieren, wagte der Autohersteller smart im vergangenen Jahr in Lissabon ein Experiment: Im Zentrum der Stadt wurden vier Fußgängerampeln mit Lautspre- chern und speziellen LED-Panels ausgestattet. Sobald das Signal von Grün auf Rot umschaltete, ertönte laute Musik – und die roten Am- pelmännchen fingen zu tanzen an. Die Signalanlagen waren nämlich mit einer riesigen Tanzbox verbunden, in der Passanten in die Rolle des roten Männchens schlüpfen konnten. Und während sie in der Box tanzten, wurden ihre Bewegungen in Echtzeit mittels Kinect-Tech- nologie auf die Ampeln übertragen. Mit der Folge: 81 Prozent mehr Menschen als sonst blieben bei Rot stehen und sahen zu. Und nicht nur das: Die Aktion kam so gut an, dass smart nun überlegt, das Experiment in weiteren Städten durchzuführen, „um den Menschen auch dort zu zeigen, dass intelligente Ideen unsere Städte zu einem noch lebenswerteren Ort machen können“, erklärt Michael Schaller, Leiter Marketing-Kommunikation und Markenmanagement smart. Damit greift der Stuttgarter Autohersteller einThema auf, das Anfang der 2000er-Jahre aufgekommen ist und mittlerweile reihenweise Stadtplaner und Architekten elektrisiert: Es geht um die Zukunft der Städte, um „Smart Cities“. Denn so unterschiedlich sie auch sind, die Metropolen dieser Welt werden schon bald vor einem ernsthaften Problem stehen: Im Jahr 2050 sollen, so die Schätzung der WHO, über neun Milliarden Menschen unsere Erde bevölkern. Rund 70 Prozent von ihnen werden dann in Städten leben. Mit der Folge: Um diese Menschenmassen zu bewältigen und nicht in komplettes Chaos zu verfallen, um lebenswert und somit auch wettbewerbsfähig zu bleiben, wird die City der Zukunft zwangsläufig und in irgendeiner Art „smart“ sein müssen. Sie wird über Technologien verfügen müssen, die die Lebensqualität der Bewohner verbessern, die Kosten senken, Res- sourcen sparen und die Umwelt schonen. Die Stadt der Zukunft wird ein IT-getriebenes System sein Realisierbar wird diese „kluge“ Stadt durch das Internet der Dinge, bei dem alles miteinander vernetzt ist und ein entsprechender Da- tenaustausch herrscht. Die Menschen werden nicht nur miteinander, sondern auch mit Gebäuden, Straßen oder Bäumen sowie mit Pro- zessen wie der öffentlichen Verwaltung kommunizieren. Und auch die Objekte selbst werden sich – eigenständig und bei Bedarf – unter­ einander verständigen. „Letztendlich wird die Stadt der Zukunft ein IT-getriebenes System sein, auf dessen Basis sämtliche Service­ leistungen funktionieren“, fasst Sven Gabor Jánszky, Gründer und Executive Director des Trendinstituts 2b AHEADThinkTank, zusam- men. Für diesen permanenten Datenaustausch verantwortlich sind dann Sensoren, die praktisch überall sein werden, so die Prognose der Stu- die „The Mobile of Everything“ von Performics und ZenithOptimedia. Schon heute sind weltweit über zehn Milliarden Dinge mit dem In- ternet verbunden. Laut dem Netzwerke-Lösungsanbieter Cisco wird diese Zahl in zehn Jahren auf 100 Milliarden angestiegen sein. Vor allem für die IT-Branche tut sich hier ein riesiges Geschäftsfeld auf. So beziffern die Marktforscher von Frost & Sullivan das Smart City-Marktpotenzial auf 1,5 Billionen US-Dollar bis zum Jahre 2020. Ob die Städte diesen strukturellen und finanziellen Kraftakt allein meistern können, ist allerdings fraglich. Es ist vielmehr davon auszu- gehen, dass sie sich dabei mit Unternehmen aus der Wirtschaft zu- sammenschließen. Kein Wunder, dass die Aussenwerber, allen voran die Stadtmöblierer, sich dabei als Partner erster Wahl sehen – arbeiten sie doch schon jetzt eng mit den Städten und Kommunen zusammen. „Wir sind mit unseren Standorten nicht nur flächendeckend vertreten, wir haben auch noch den Vorteil, dass wir nahezu überall über einen Stromanschluss verfügen“, erklärt Patrick Möller. Viele dieser Stand- orte seien zudem bereits mit Kommunikationsvorrichtungen wie Netzwerkkabel, DSL- und Telefonleitungen ausgestattet, sodass „wir sowohl über die Location als auch über die Infrastruktur ein gebore- ner Partner für intelligente Dienstleistungen sind“, so der Geschäfts- führer von JCDecaux Deutschland weiter. OOH!–Fokus Passanten machen das Ampelmännchen: Autohersteller smart bietet Live-Unterhaltung aus der Tanzbox beim Warten auf Grün

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